Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet.
– Matthäus 5,44-45
Liebe Besucher und Freunde der Evangelischen Gemeinschaft,
diese Aussage von Jesus gehört zum Anspruchsvollsten, was er uns in unseren Alltag, in unser Leben mit ihm, die Nachfolge, mitgegeben hat. Glücklicherweise klingt es recht theoretisch, denn – haben wir Feinde? Werden wir verfolgt? Betrifft denn diese Aussage mich persönlich?
Wohl dem, der keine Feinde hat. Nun kann unser Gefühlsleben ja immer mal wieder Karussell fahren und wir sehen Feinde, wo keine sind. Oder wir haben welche, die sich aber noch nicht wirklich als solche geoutet haben. Doch Achtung: Hier geht es nicht um Befindlichkeiten, sondern um handfeste Konflikte. Und hier ist es sinnvoll, den historischen Kontext, in den hinein Jesus dies gesagt hat, zu berücksichtigen.
Die Begründung der Liebe geht im Text noch weiter:
…; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?
– Matthäus 5,46-47
Jesus spricht hier die selektive Achtung und Wertschätzung der Pharisäer, der religiösen Elite des Landes damals, an. Sie achteten nur ihresgleichen. Die gewöhnlichen Leute, die mangels Wissens oder auch bewusst gegen Gottes Gebote verstießen, waren Verlorene, oder noch schlimmer, Verfluchte. Sie waren zu hassen.
Jesus stellt diese traditionellen Werte auf den Kopf. Denn für die Verlorenen ist er ja gekommen. Die Kranken brauchen den Arzt, nicht die Gesunden.
Auch wir stehen in der Gefahr, in unseren kleinen gesellschaftlichen Milieus zu bleiben, in unserer Blase zu leben, die uns gefällt, die wir kennen, und wo Wertschätzung oder auch Liebe leichtfällt. Jesus möchte aber etwas anderes: Er fordert uns zur selbstlosen Liebe auf, zur „agape“, in den Situationen, in denen mein Gegenüber fremd, anders, zunächst nicht liebenswürdig oder sogar feindselig wirkt. Er erwartet von uns den ersten Schritt.
Das ist viel verlangt und das geht nur im andauernden Üben der Nachfolge Jesu. Dazu brauchen wir die Gegenwart Gottes in unserem Leben. Dazu brauchen wir den Heiligen Geist in unserem Hirn. Dazu brauchen wir ein erneuertes Herz. Alles andere wäre totale Überforderung. Das können wir nicht erarbeiten, dies wird uns von Gott geschenkt, Schritt für Schritt. Wir dürfen ihn darum bitten.
Nun ist es so, dass dieser erste Schritt von den meisten Menschen, denen ich begegne, gerne zur Kenntnis genommen oder auch dankbar erwidert wird. Wunderbar, so darf es gerne sein. Aber paradoxerweise kann es auch extrem anders sein. Auch Ablehnung, Verachtung, Spott kann eine Reaktion sein.
Das ist noch nicht Verfolgung. Aber in einem Kontext, in dem systematisch Minderheiten unterdrückt werden und das Recht des Stärkeren Staatsräson ist? Wo Unrecht mit dem Kampf ums Überleben begründet wird? Da wird Verfolgung schnell möglich.
Jesus spricht auch heute zu seinen Jüngerinnen und Jüngern überall auf der Welt in so unterschiedliche Lebensverhältnisse und sehr wechselnde Akzeptanz der Gemeinden und Kirchen hinein. Und was er sagt, ist ja nicht nur eine Aufforderung. Es ist auch ein Versprechen: In diesem Beten für die Feinde, für die Anderen verwandelt er unser Wesen und wir können wahrnehmen, dass wir ihm ähnlicher werden. Denn Gottes Kinder sein: Das ist doch Leben in der Beziehung zum Vater, die über allem eine Liebesbeziehung ist. Und eine Liebesbeziehung hält aus, dass es auch Tage mit Regen gibt und der Vater seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen lässt.
Liebe Grüße,
euer Christoph Blanke